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Thema der Woche | 15. Februar 2018

Romantisches Altmetall

Liebesschlösser an der Weidenhäuser Brücke müssen weichen
Foto: Coordes

Meist waren es laue Sommernächte, in denen die Liebesschlösser "auf ewig" mit dem schmiedeeisernen Geländer verbunden wurden. Nun hasten die Menschen bei Minusgraden an den Liebeserinnerungen vorbei: Mehrere hundert Schlösser – rot, blau, verrostet, metallisch, mit Herzchen, eingravierten Namen und Daten zieren die Weidenhäuser Brücke in Marburgs Zentrum. Doch zwölf Tage nach dem Valentinstag müssen sie weichen. Noch bis zum 26. Februar haben Liebende Zeit, ihr Schloss abzunehmen. Dann wird die Brücke nämlich so grundlegend saniert, dass auch die romantischen Erinnerungen verschwinden.

Mit dem Retten der Liebesschlösser ist es aber so eine Sache. Schließlich fordert der Brauch, dass die kleinen Schlüssel in hohem Bogen in den Fluss geworfen werden, wodurch das Schloss in vielen Fällen langlebiger sein dürfte als die Zweisamkeit. Das bedeutet, dass die Schlüssel verrostet auf dem Grund der Lahn liegen. Die Stadt Marburg wird nun auch keine Bolzenschneider zur Verfügung stellen, um interessierten Liebespaaren ihr Schloss zurückzugeben. Die Schlossbesitzer können es selbst mit eigenem Werkzeug versuchen. Und nach dem kompletten Abmontieren am 26. Februar wird die Stadt die Schlösser für einen Monat am Servicehof des Dienstleistungsbetriebs am Krekel in einer großen Kiste zum Abholen bereitstellen. Die Schlösser sind dann natürlich durch­trennt. Ansonsten gehen die Erinnerungen "den Weg allen Altmetalls", so Stadtsprecherin Birgit Heimrich.

Sie ist allerdings überrascht, dass ausgerechnet die Liebesschlösser an der Weidenhäuser Brücke die Stadt Marburg bundesweit in die Medien gebracht haben. Die Verwaltung wurde sogar um die Vermittlung eines Liebespaares gebeten, das am Valentinstag sein Schloss retten sollte. Damit konnte die Behörde dann doch nicht dienen. Für die Stadt handelt es sich auch eher um einen "sehr kleinen Nebenaspekt" angesichts der fünf Millionen teuren Sa­nie­rung der maroden Sand­stein­brücke im Herzen der Stadt, die für lange acht Monate komplett gesperrt wird. Im Rathaus wird vielmehr mit Hochdruck daran gearbeitet, dass die City weiter gut erreichbar bleibt. Und damit die Innenstadt nicht für Monate im Dauerstau versinkt, wird dafür geworben, auf das Fahrrad, Park & Ride oder Busse umzusteigen oder zu Fuß in die Stadt zu gehen. Die zentrale Verkehrsader soll mindestens bis Ende Oktober komplett gesperrt werden, danach einspurig befahrbar.

Im September 2019 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Und nach der Sanierung könnten Pärchen ihre Liebe auch erneuern. Das schmiedeeiserne Geländer der Weidenhäuser Brücke wird nämlich frisch restauriert wieder an­ge­bracht. Statische Probleme bergen die Schlösser bislang nicht für die Brücke. Aber vielleicht, so Birgit Heimrich, sind die Liebesschlösser bis dahin ja gar nicht mehr in Mode.

Der frühere Stadtsprecher Rainer Kieselbach erinnert sich daran, wann die ersten Schlösser an der Weidenhäuser Brücke auftauchten: 2011 fotografierte er die ersten zehn Exemplare am Hirsefeldsteg. Ein Jahr zuvor wurde der Brauch an der Weidenhäuser Brücke eingeführt. Zwischenzeitlich tauchten einige Vorhängeschlösser auch am Abendrothsteg auf. "In einer Studentenstadt hat das Charme", sagt Kieselbach. Ganz persönlich rät er allerdings nicht zum Abflexen: "Die Liebe geht ja nicht mit dem Schloss unter", tröstet er. Man nehme ja auch nicht ein Stück des Baumes mit, in dem man einst sein Herzchen eingeritzt habe. Kieselbach: "Ein aufgesägtes Schloss verliert seinen Zauber."

Eingestürzte Laternen und geklaute Liebesschlösser
Ursprünglich kommt der Brauch vermutlich aus Italien. Frühe Exemplare wurden aber auch schon in Serbien, Ungarn und Paris gesichtet. In Deutschland sollen die ersten Liebesschlösser allerdings erst im Spätsommer 2008 an der Kölner Hohen­zollern­brücke aufgetaucht sein. Seitdem haben frisch Verliebte und Vermählte den Brauch in viele deutsche Städte getragen. Heute findet man sie vor allem an Brücken, aber auch an Sitzbänken in Gewässernähe sowie an Leuchttürmen.
Doch die Liebesschlösser machen den oft denkmalgeschützten Brücken wegen ihres Gewichts mitunter schwer zu schaffen. So ist ihr Anbringen an Brücken in Venedig und Berlin strikt verboten. Streng verfolgt wird dies an Venedigs Rialto­brücke, wo das Anbringen bis zu 3000 Euro Bußgeld kosten kann. Auch in Rom wurden die Vorhängeschlösser zwischenzeitlich untersagt. 2007 war nämlich eine Laterne unter der Last der Schlösser umgeknickt. Die Stadt sorgte jedoch durch das Anbringen von Pollern mit dazwischen gespannten Ketten für alternative Plätze.
Noch ärger traf es die berühmte Fußgängerbrücke "Pont des Arts" in Paris. Ihr Geländer stürzte am 8. Juni 2014 unter dem Gewicht von etwa 93 Tonnen Eisen auf einer Länge von 2,4 Metern zusammen. Die Brücke musste daraufhin gesperrt werden. Hunderttausende der Liebesbeweise wurden abmontiert und versteigert.
Dass die Schlösser schon wegen des Alteisens einen gewissen Wert haben, wusste auch ein Dieb, der an der Kölner Hohenzollernbrücke 50 Liebesschlösser knackte. Das Kölner Amtsgericht verurteilte den vorbestraften Mann zu drei Monaten Gefängnis ohne Bewährung.
gec

Gesa Coordes

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