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Thema der Woche | 25. September 2014

"Staaten sind völlig überfordert"

Mittelhessische Ebola-Experten arbeiten in Guinea – Foto: Coordes

Wie dramatisch die Lage in den Ebola-Gebieten Westafrikas ist, ver­an­schau­lichen die Experten vom Marburger Institut für Virologie mit zwei Fotos besonders deutlich: Eine aufgebrachte Menschenmenge in einem abgeriegelten "Ebola-Slum" im liberianischen Monrovia – die Behörden hatten das Armen­viertel zwar unter Quarantäne gestellt, zugleich aber von der Versorgung mit Lebensmitteln abgeschnitten. Die Menschen hatten mehrere Tage nichts zu essen bekommen. Das zweite Bild zeigt einen defekten Truck des Roten Kreuzes neben dem Labor in Guinea, in dem in den ver­gang­enen Monaten vier Mitarbeiter des Marburger Hochsicherheitslabors arbeiteten. Auf einer Seite ist der Geländewagen auf Steinen aufgebockt. Eigentlich nur ein simpler Reifen­schaden. Doch obgleich der Truck dringend gebraucht wurde, gab es kein Geld, ihn zu reparieren.

"Es geht nicht mehr nur um Infektionsschutz", sagt der Direktor des Instituts für Virologie, Prof. Stephan Becker: "Ganze Länder werden destabilisiert. Die Staaten sind völlig überfordert." Im Marburger Hochsicherheitslabor wird schon seit vielen Jahren über Ebola geforscht. Vier Mitarbeiter waren in den vergangenen Monaten jeweils für mehrere Wochen vor Ort im Einsatz. Jetzt berichteten sie in der Marburger Uni-Klinik über ihre Erfahrungen.

Von einer "traumatischen Entwicklung" spricht der Biologe Thomas Strecker. Die tödliche Krankheit, die durch Flughunde übertragen wird, grassierte bislang nämlich nur in Zentralafrika. Die inzwischen flächendeckend betroffenen westafrikanischen Länder Guinea, Sierra Leone und Liberia traf es völlig unvorbereitet. In den vergangenen Wochen habe es geradezu eine "Explosion" von Neuinfektionen gegeben. So schnellte die Zahl der Kranken bei seinem letzten Besuch Ende August innerhalb von zwei Tagen von 13 auf 80 Patienten hoch.

In Guéckédou im Süden Guineas haben das Rote Kreuz und die "Ärzte ohne Grenzen" eine Isolierstation aufgebaut. Die Marburger Experten gehörten zum Team des dazu gehörigen "europäischen mobilen Labors", das bislang noch nie unter realen Bedingungen getestet wurde. Dort untersuchen sie unter sehr hohen Sicherheitsvorkehrungen die Blutproben der Patienten. Wer direkt mit dem noch nicht deaktivierten Blut oder den Kranken zu tun hat, trägt einen elfteiligen Ganzkörper-Schutzanzug.

Etwa vier Stunden dauert die Blutuntersuchung. Unterdessen warten die Menschen, die täglich von den Trucks aus den Dörfern gebracht werden, auf ihre Diagnose. Viele sind bereits so krank, dass sie nicht mehr laufen können. In etwa jedem zweiten Fall wird Ebola festgestellt. Von einer "sehr an­ge­spannten Atmosphäre im Zelt" erzählt Labor-Mitarbeiter Gordian Schudt.

Tatsächlich können die Helfer unter den Bedingungen nur wenig für die Kranken tun: Intensivmedizin ist nicht möglich. Es wird versucht, die Menschen mit ausreichender Flüssigkeit, Nahrung, Vitaminen, Schmerzmitteln und Antibiotika zu stabilisieren. Die Wasserflaschen werden grundsätzlich nur zu einem Drittel gefüllt. Die meisten Patienten sind nämlich zu schwach, um eine ganze Flasche zu halten. Viele sterben innerhalb von wenigen Tagen.

Angesichts des großen Leids ist die Arbeit auch für die Helfer psychisch und physisch sehr anstrengend, berichtet Mitarbeiterin Svenja Wolf. Nur etwa die Hälfte der Infizierten übersteht die Krankheit. Damit die Überlebenden in ihren Dörfern nicht ausgegrenzt werden, erhalten sie ein Zertifikat, in dem die Heilung bestätigt wird. Manche von ihnen klären ihre Nachbarn dann über die Übertragungswege des Virus auf, deren Ausbreitung durch häusliche Pflege und traditionelle Beerdigungsriten begünstigt wird. Zu ihnen gehört etwa der Vater des zwölfjährigen Alfonso, dessen Sohn trotz einer zusätzlichen Malaria-Infektion überlebte.

Einen Impfstoff gibt es bislang nicht. Das Marburger Institut ist aber an der Entwicklung eines experimentellen Impfstoffs auf VSV-Basis beteiligt, der in Tierversuchen erfolgversprechend war. Eine Studie mit 20 gesunden Freiwilligen soll noch im Oktober am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut gestartet werden. Die Auswertung übernimmt das Marburger Hochsicherheitslabor. Dann könnte Anfang 2015 ein Impfstoff vorliegen.

Ebolafieber
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind bislang 2800 Menschen an Ebola gestorben. Die Dunkelziffer dürfte aber viel höher liegen. Bis Ende des Jahres wird mit 20 000 Infizierten gerechnet. Übertragen wird es durch Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin, Schweiß oder Speichel.
Die Symptome ähneln zunächst einer Grippe oder Malaria. Es kommt zu Fieber und starkem Durchfall mit hohem Flüssigkeitsverlust. Blutungen, wie sie bei früheren Ausbrüchen typisch waren, sind bislang nur vereinzelt aufgetreten. Dann droht ein Multiorganversagen.
Durch den Mangel an Wissen über die Übertragungswege, die extreme Armut, das schlechte Gesundheitssystem und Legendenbildung ist die Ausbreitung des Virus in Afrika nur schwer einzudämmen.
gec

Gesa Coordes

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